XXXVI Irène Hug
21.11. - 06.12.03
Zur Arbeit von Irène Hug
Die Ablösung der Worte von ihrem ursprünglichen
Sinn und von ihren Absichten ist ein Effekt der Vielfalt
und der schieren Masse sprachlicher Zeichen, an die
wir in unserem Alltag völlig gewöhnt sind,
und die wir meist rein formal, d.h. außerhalb
kommunikativer Zusammanhänge wahrnehmen. Dieser
Abstand entspricht aber auch der essentiellen Leere,
die in der Sprache immer zwischen dem Laut/Buchstaben
und seiner Bedeutung gähnt.
Iréne Hug spielt mit der Allgegenwart der Beschriftung
unseres Lebensraums: Sie interessiert sich für
die Möglichkeiten der Schrift als Form, als Bild,
und dafür, was passiert, wenn den Aufforderungen
wieder zugehört wird und wenn man zusammenliest,
was nebeneinander steht. Sie lässt sich auf die
Abstraktionsprozesse ein, die von der Überlastung
mit Botschaften inganggesetzt werden, was auch bedeuten
kann, sie wieder wörtlich zu nehmen. Das ist ein
Akt der Vereinnahmung und der Hingabe, in dem neue Sinnstiftungen
und persönliche Verhältnisse bezeichnet werden
können.
Beschreibung des Projekts für CAPRI XXXVI
Die Fensterfront von CAPRI ist mit bunten Schriftzügen
bedeckt. Darüber und daneben vermengen sich verschiedene
Aufschriften und Namen mit den Beschriftungen der Künstlerin:
General-Repräsentanz steht über Car-Shop,
die Schilder der Autowerkstatt neben TRANSMITTER und
HERMES. Auf einem Fenster kann man non si capisce niente,
ma non m`importa lesen, ob man`s versteht oder nicht,
und auf der anderen Scheibe will use the right password
beachtet werden. Hinweise, die auf Hinweise hinweisen:
Hilft uns der Götterbote Hermes, der Namensgeber
der Hermeneutik, zu verstehen, oder eher Hermes als
Patron der Reisenden und Schelme? Oder ist das nur eine
Schreibmaschinen- bzw. Unterhosenmarke?
Im Innenraum zeigt ein großes Wandposter eine
Straßensituation: Einige Männer hantieren
an einem Auto, sie sind umgeben von Reklametafeln, Hinweisschildern,
Plakaten und sonstigen Aufschriften. Folgen sie den
Anweisungen? Oder sollen die Textelemente die BetrachterInnen
aufklären?
Im halbdunklen Hinterzimmer des Ausstellungsraumes scheint
schließlich die Antwort zu warten: Auf einem Tisch
stehen und liegen allerlei Gegenstände in merkwürdigen
Positionen, jedes dieser Dinge beinhaltet etwas und
all die Bücher, CDs, Bierflaschen, Batterien usw.
werden von einem Spot angestrahlt. In einer Choreographie
der Objekte stellt sich der beleuchtete Krimskrams selbst
vor und bildet dann als Gruppe eine kleine Installation.
Währenddessen löst ihr Schatten, der sich
auf der Wand zu Schrift formiert, beinahe unabsichtlich
das große alte Problem der Semantik auf: Die willkürliche
Beziehung von Zeichenträger und Referent weicht
unversehens einer physikalischen Logik, die nur von
der Stromzufuhr abhängt Und wer möchte,
kann auch gleich die Gelegenheit nutzen, um Platons
Höhlengleichnis nochmal gut zu überdenken.
(BC)
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