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CAPRI LX
BERLIN: Alena Meier "und"
SARATOW: "Und auch wir haben gelebt" - ein Film über Wjatscheslaw Lopatin

11.11.05 – 26.11.05


Mit CAPRI LX setzt der Projektraum eine Reihe fort, in der sich sehr verschiedene künstlerische Arbeitsweisen gegenüberstehen. Das Fremde und das Kuriose ist dabei in den Berliner Positionen nicht weniger präsent als in den Arbeiten der Künstler aus Moskau, Jekaterinburg und Saratow; ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, dass den russischen Künstlerinnen und Künstlern sowohl das Geld als auch die nötigen Papiere fehlen, um nach Berlin zu reisen — vorgestellt wird also immer auch ein wirtschaftlich und politisch bedingtes Ausgeschlossensein.

Alena Meier "und"
(Fotografie, Installation, 2004 - 2005)
»und« ist ein künstlerischer Reisebericht, der als variable Installation und als Katalogbuch existiert. Alena Meier reflektiert darin die Lebens- und Arbeitsbedingungen von russischen Künstlerinnen und Künstlern, denen sie unter anderem in Nizhni Novgorod, Jekaterinburg und Samara begegnete.
Wir sind gewohnt, von Dokumentationen bestimmte Anordnungen zu erwarten, die dem Präsentierten die Aura des Objektiven verleihen und dem Betrachter versprechen, etwas mehr oder weniger Neues als Information dem bereits Bekannten ordentlich eingliedern zu können: Angenehm unbemerkt geht so vom Berichterstatter auf den Rezipienten das Gefühl über, die einzig mögliche, selbstverständliche Perspektive innezuhaben. Es ist irritierend, dass »und« diesen Effekt verweigert; um so mehr spricht Alena Meiers Arbeit von der Beteiligung der Berichtenden an dem, was sie zeigt. Zu sehen sind gerahmte und ungerahmte Fotos in diversen Formaten: der vorläufig letzte Satz in einem Dialog und das Bild einer Überlagerung, die viel weniger und viel mehr vermittelt, als ein herkömmlich dokumentarisches Abbild.

Und auch wir haben gelebt
ein Film über den Maler Wjatscheslaw Lopatin
von G.T.R.K. Saratow; 30 min., Russland, 2004
(Übersetzung aus dem Russischen: Alena Meier; Dank an Bettina Herrmann und Elena Engehagen)
Ungeachtet ihrer recht sentimentalen Ästhetik stellt diese Produktion des Saratower Lokalfernsehens einen Künstler vor, dessen Hingabe und Bescheidenheit tief beeindrucken.
Wjatscheslaw Lopatin überlebte als Kind die deutsche Invasion und Besatzung der Sowjetunion. Diese Erfahrung hat ihn bis heute wesentlich geprägt: Und auch wir haben gelebt, der Titel des Films, ist gleichzeitig der des künstlerischen Schlüsselwerkes des porträtierten Künstlers.
Seit den 60er Jahren gehört Lopatin einer Gruppe von Saratower Künstlern an, die sich einerseits an Ideen des Bauhaus' orientieren und sich andererseits mit Traditionen der russischen Volkskunst und spirituellen Fragen auseinandersetzen. Seine Malerei behandelt Farbklänge als optische Äquivalente zu musikalischen Tönen, er versteht die Qualitäten beider Medien als direkt ineinander übertragbare Werte.
Wjatscheslaw Lopatins zweiter Beruf ist der eines Restaurators am Städtischen Museum von Saratow. Im Keller des Museums, den er auch als Atelier nutzt, arbeitet er seit vielen Jahrzehnten Ikonen auf. Darüber hinaus beherbergen diese Räume ohne Tageslicht seine private Sammlung von russischer Malerei und Grafik der Nachkriegszeit. Dieses bemerkenswerte Archiv zeugt von seinem Glauben an die bewusstseinserweiternde Kraft der Kunst, aber auch von Biografien, die von Krieg, Gefangenschaft und Verfolgung bestimmt waren.
(BC)


Wjatscheslaw Lopatin fotografiert von Alena Meier